"Unter die Haut"-Interview mit SKS und S02
In der Vergangenheit haben wir uns schon mehrfach per Spruchband und auch per Spruchbanderklärung zu der aktuellen vereinspolitischen Lage in Stuttgart geäußert und die Thematik so an euch rangetragen. Um einen noch besseren Blick in diese Situation zu bekommen, wurde von Seiten der Frenetic Youth im Rahmen ihres letzten Spieltagsflyers "Unter die Haut 226" ein Interview mit der Schwaben Kompanie Stuttgart, sowie dem Schwabensturm 02 geführt. Dieses stellen wir euch hier zur Verfügung.
In Stuttgart liegt momentan einiges im Argen – nicht auf dem Platz, da läuft es nahezu perfekt und der VfB wird im nächsten Jahr Europa bereisen. Wer hätte dies nach der Relegation im letzten Jahr ernsthaft in Erwägung gezogen? Aber während die Mannschaft der Schwaben Woche für Woche begeistert, sorgen Querelen im Verein für eine schwere Krise zwischen den Anhängern und der Vereinsführung. Über den Hintergrund hatten wir schon in der UdH-Ausgabe 224 berichtet, seitdem hat sich dort die Lage auch schon wieder etwas verändert. Höchste Zeit also, die Szene vor Ort selbst zu Wort kommen zu lassen.
Kurze Zusammenfassung: In Stuttgart wurde im Rahmen der Ausgliederung die Profimannschaft in eine AG überführt. Vorsitz in deren Aufsichtsrat sollte aber immer der Mutterverein haben. Klingt ja so weit sinnig, wurde aber damals nur versprochen und nicht in der Satzung festgehalten. Genau dieses Versprechen wurde nun im Nachgang des Investors Porsche gebrochen und der Vorsitzende des Präsidiums des e.V. Claus Vogt wurde abgesetzt. Dies gelang wohlgemerkt nur mit den Stimmen der aus dem e.V. entsandten Aufsichtsräten. Dieser Vertrauensbruch war für die Canstatter Kurve zu viel und die ohnehin sehr vereinspolitisch aktive Kurve forderte einen kompletten Rücktritt des Präsidiums, da alle eh in Machtkämpfen untereinander verstrickt waren. Nun verging seitdem kaum eine Woche ohne
Stellungnahme oder neue Enthüllungen.
Solche Dinge kennen wir in Kaiserslautern noch zu Genüge. Die Situation des VfB lässt sich in manchen Aspekten auch gar nicht so schlecht mit der unseren im Jahr 2018 vergleichen. Alles begann nämlich auch auf dem Betze mit einer Ausgliederung. Versprechen wurden damals auch einige gegeben, Anträge mit Kontrollmechanismen weggelabert und viel erzählt. Gerade von einer Einheit gab es viel Gerede und das „Team Merk“ explodierte in der Folge förmlich an der Frage eines Investors. Nun hat in Bad Cannstatt ebenfalls ein Investor seinen Anteil an der Gesamtlage.
Aber wir wollen nicht nur einen Blick auf die aktuelle Lage werfen. Denn die Folgen für die Menschen, die einen Verein nicht nur verfolgen, sondern leben, werden oftmals bei solchen Entscheidungen gerne vergessen. Denn die Identifikation spielt in unserem Wirken eine bedeutende Rolle. Wir als Ultras tun das, was wir tun, eben auch, weil wir uns mit dem Verein identifizieren. Spieler, Trainer oder andere Verantwortliche taugen nicht mehr als Vorbilder, denn sie sind bei zu viel Erfolg oder Misserfolg ganz schnell auf einer anderen Gehaltsliste. Was dann übrig bleibt, ist eben nur der Verein und seine Werte, denn die überdauern jeden krassen Stürmer oder guten Sportdirektor. Oder wie es S02 formuliert: „Die einzige Konstante sind wir Fans!“
Ein eingetragener Verein steht für Mitbestimmung, ein unglaublich hohes Gut. Man hat Anteil an dem Weg, der im Verein eingeschlagen wird, man kann seinen Teil leisten. Man ist eben nicht nur passiver Zuschauer und muss sein Vertrauen blind irgendwelchen Anzugträgern schenken, deren Vita manchmal ganz gut klingt. Selbst wählen zu können, geht nicht immer gut, aber so funktioniert es in einer Demokratie eben.
Menschen, die sich in erster Linie mit dem eingetragenen Verein identifizieren, mussten von heute auf morgen die Spiele einer AG besuchen (oder in unserem Fall eine KGaA). Also haben wir die Schwaben Kompanie und den Schwabensturm aus Stuttgart eben auch gefragt, wie sie damit umgehen und was eine Ausgliederung und ihre Folgen für sie verändert hat.
Viele der vereinspolitischen Probleme kommen nicht unbedingt aus diesem Jahr, sondern reichen bis zur Ausgliederung der Profisparte des VfB in eine AG zurück. Wie kam es damals dazu? In welcher Situation war der VfB damals?
S02: Der Prozess der Ausgliederung hat sich über mehrere Jahre und zwei Präsidenten gezogen. Unter dem Präsidenten Bernd Wahler fand ein erster Anlauf einer Ausgliederung statt. Dieser Prozess war jedoch, zumindest in der Wahrnehmung, noch deutlich ergebnisoffener und transparenter gestaltet. Es fanden Dialogveranstaltungen und eine sogenannte Zukunftswerkstatt statt. Dies war ein Format bei dem Mitglieder aller Couleur gemeinsam Alternativen zu einer Ausgliederung erarbeiten und vorstellen konnten. Diese Alternativen wurden anschließend durch den Verein aufgenommen und geprüft. Wir als Gruppe aber auch als Cannstatter Kurve haben an diesen ergebnisoffenen Prozessen teilgenommen, da es in unserem demokratischen Grundverständnis eines Vereins eine richtige Herangehensweise war, auch wenn die Offiziellen des Vereins sich für eine Ausgliederung ausgesprochen haben. Ein fairer und demokratischer Diskurs war möglich.
SKS: Nach 39 Jahren in der ersten Liga stieg der VfB im Sommer 2016 ab und befand sich dadurch in einer schwierigen Phase. Konnte man sich in den Jahren zuvor bereits nur knapp in der Liga halten, bestand immer die Hoffnung, dass der VfB in der darauffolgenden Saison wieder durchstartet und sich in den Tabellenbereich spielt, in dem er sich jahrelang befunden hatte. Mit dem Abstieg wurde vielen endgültig klar, dass der VfB sich von der nationalen Spitze auf Jahre hin entfernen und ein VfB im oberen Tabellendrittel unvorstellbar wird. Als Reaktion auf den Abstieg trat der damalige e.V. Präsident Bernd Wahler von seinem Amt zurück und der Posten des e.V. Präsident wurde frei.
Im Oktober 2016 kam es auf der Mitgliederversammlung zur Wahl des Nachfolgers – auch, wenn von einer richtigen Wahl nicht gesprochen werden kann, da Wolfgang Dietrich ohne Gegenkandidaten antrat. Dietrich erhielt damals 57,2% der Stimmen und wurde damit zum Präsidenten „gewählt“. Knapp 43% der Mitglieder waren also dafür, dass lieber niemand Präsident wird, anstelle von Wolfgang Dietrich. Für den VfB hingegen war Dietrich der ideale Mann, um die Ausgliederungspläne umzusetzen. Er war ein Mann aus der Wirtschaft, bestens vernetzt und ihm war völlig egal, was die Leute von ihm hielten.
In einer absurden Marketingkampagne, welche unter dem Motto „Ja zum Erfolg“ ablief, wurden die Mitglieder mit dem Versprechen gelockt, dass der VfB durch die Ausgliederung wieder zu den besten Mannschaften Deutschlands gehören würde. Ohne die Ausgliederung würde der VfB in die ewige Bedeutungslosigkeit abrutschen. Es ist ja völlig klar, welchen Einfluss diese heraufbeschworenen Szenarien auf die Entscheidung der Mitglieder hatten. Als krönenden Abschluss gab es für all jene, die zur entscheidenden Mitgliederversammlung kommen sollten, ein Gratis-Trikot. Dies führte dazu, dass die Mitgliederversammlung von 15.000 Mitgliedern nahezu überflutet wurde. Das war ca. das Zehnfache im Vergleich zu einer „normalen“ Mitgliederversammlung. Dort stimmten die anwesenden Mitglieder dann mit 84% für die Ausgliederung. Nicht nur die aggressive Werbekampagne des VfB führte zu diesem Ergebnis. Auch der erreichte Wiederaufstieg unter den damaligen, beliebten Verantwortlichen Jan Schindelmeiser und Hannes Wolf, führte bei den Fans zu dem Glauben, dass der VfB durch eine Ausgliederung wieder in die sportliche Erfolgsspur zurückkehren würde. Leider wurde diese Hoffnung schnell zerschlagen und nachdem Hannes Wolf und Jan Schindelmeiser zeitnah Geschichte waren, stieg der VfB zwei Jahre später erneut in die zweite Liga ab.
S02: Wir als Gruppe und auch als Kurve haben in der Zeit vor der Ausgliederung beinahe unsere komplette Energie in die Verhinderung dieser gesetzt. Umso tiefer saß der Stachel der Niederlage. Dieser hält auch noch bis heute an. Nicht unbedingt, weil wir ausgegliedert haben, dieses demokratische Ergebnis müssen wir akzeptieren, sondern weil der Kampf der Ausgliederung seitens der e.V. Vertreter mit unfairen Mitteln gekämpft wurde bis hin zur illegalen Datenweitergabe von Mitgliedsdaten usw.. Bis heute verfolgt uns daher dieses Thema, weil sich doch mal wieder jemand irgendwo dumm in beispielsweise einem Podcast verquatscht und eine neue Leiche aus dem Keller holt. Dazu konnte das Vertrauen in die seitdem regelmäßig wechselnden Personen bis heute nicht wieder hergestellt werden, auch durch fortlaufend weitere Krisen, in die sich unser Verein ein ums andere Mal stürzt.
Wie hat diese weitreichende Entscheidung euer Verhältnis zum Verein verändert? Gab es eine Entfremdung?
SKS: Bereits vor der Ausgliederung verspürte man eine starke Entfremdung vom eigenen Verein. Man merkte, dass der VfB die Ausgliederung mit aller Macht durchdrücken wollte und diese Marketingmaschine drückte extrem auf die Stimmung. Die Führungsriege des VfB sorgte auf unserer Seite immer wieder für starkes Kopfschütteln, da wir durschauten, dass viele Aussagen die Mitglieder bewusst täuschen sollten.
Nach der Ausgliederung wurde diese Entfremdung noch stärker. Die damals handelnden Personen standen für einen VfB, den wir niemals haben wollten. Das erste Spiel nach der
Ausgliederung war das Pokalspiel in Cottbus. Es fühlte sich komisch an, an diesem Tag für einen VfB zu singen, welcher nicht länger den eigenen Vorstellungen eines VfB gerecht wurde.
S02: Insbesondere nach der Ausgliederung hat die Identifikation ihren Tiefpunkt erreicht. Insbesondere ältere Mitglieder haben sich emotional stark vom Verein gelöst und haben auch Ihre Mitgliedschaft gekündigt. Im Querschnitt der Gruppe haben wir einen deutlichen Identifikationsverlust bemerkt, welchen wir dann auch nach außen demonstrieren wollten. Wir haben größtenteils auf das VfB-Wappen in unserer Außendarstellung verzichtet und auch im Allgemeinen entwickelte sich immer mehr eine "Anti"-Stimmung gegen den eigenen Verein. Erst zu dieser Saison öffneten wir uns wieder großflächig auch mehr Identifikation in unserem Tifo-Material zu verankern. Dies ist natürlich auch damit zu erklären das neue Personen in die Gruppe kamen, welche eher mit den modernen Auswüchsen des Fußballs
sozialisiert sind und die Zeit und den Verein vor der Ausgliederung eben nicht so erlebt haben wie eine heute etwas ältere Generation. Eine Identifikation wie vor der Ausgliederung können wir uns auf emotionaler Ebene jedoch schwer vorstellen.
In unserer Gruppe hat die Abkehr vom eingetragenen Verein zu einer Identifikationskrise mit dem Verein geführt. Gerade die Jahreshauptversammlungen beweisen immer wieder den Abstand zwischen unserer Vorstellung eines mitgliedergeführten Vereins und der Realität eines Wirtschaftsunternehmens. Wie ist euer Gefühl dabei?
SKS: Unser Gefühl ist da sehr ähnlich. Viele Mitglieder sind aus Frust über die Ausgliederung aus dem VfB ausgetreten. Sie wollen diesen Zirkus in Zukunft nicht mehr mitmachen. Auf den Mitgliederversammlungen hatte man nach der Ausgliederung einfach deutlich weniger Einfluss auf das Fußballgeschäft des VfB. Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder können nicht mehr abgewählt oder entlastet werden. Da kommt man durchaus ins Grübeln, welchen Sinn es hat, weiterhin die Mitgliederversammlungen zu besuchen. Dennoch können wir als Vereinsmitglieder Einfluss auf die AG ausüben und auch wenn dieser Einfluss deutlich kleiner geworden ist, müssen wir die Rolle der Opposition annehmen und für unsere Werte einstehen. Wie wichtig das ist, zeigt die aktuelle Situation. Es wird ersichtlich, wer über den VfB bestimmen würde, würden wir ihn sich selbst überlassen.
Wie war in den Jahren nach der Ausgliederung die vereinspolitische Arbeit? Welche Probleme traten auf und mussten thematisiert werden? In welcher Form wurde das getan? Wie hat sich die neue Struktur im Verein auf euch ausgewirkt?
S02: Die ersten Monate und Jahre hat sich die vereinspolitische Arbeit auf ein absolutes Minimum minimiert. Natürlich gab es immer einen Draht, wenn es doch einmal brannte, nicht zuletzt über die gute Zusammenarbeit mit der Fanbetreuung. Vielleicht kann man hier nochmal auf die erste Frage etwas eingehen, da bis heute kaum richtig aufgefallen ist das die Ausgliederung nicht nur beschissen war, weil 24,9 % des Vereins verkauft wurden, sondern auch weil die daraus resultierenden Strukturen in Verein und AG immer wieder zu neuen Problemen führen. Im Verein kämpfen aktuell gegen bestehende Zirkelbezüge, durch die sich die aktuellen zwei Gremien (Vereinsbeirat und Präsidium) gegenseitig zur Wahl vorschlagen und ganz nebenbei aber durch ihr Aufgabenprofil voneinander abhängig sind. Hier arbeiten wir neben den ultratypischen Elementen wie Spruchbänder auch direkt mit, indem wir seit einigen Monaten Teil der neu aufgestellten Satzungskommission sind. Gleichzeitig führen wir
aber auch weiterhin an verschiedensten Fronten Gesprächen und versuchen aktiv auf das Geschehen in unserem Verein einzuwirken. Da unsere Fußballabteilung ausgegliedert ist bringt dies auch Veränderungen für das Zusammenspiel zwischen AG und E.V. mit sich. Hier gibt es einen Grundlagenvertrag, welcher jedoch erst im vergangen Jahr laut Veröffentlichungen des Vereins wirklich auf ein tragbares Niveau für den E.V. verbessert werden konnte. Das der E.V. durch die Ausgliederung viel seines Einflusses und Rechte verloren hat, wird spätestens auch durch die aktuellen Entwicklungen wieder klar.
Jetzt hat sich die sportliche Situation in der letzten Zeit drastisch verbessert und es herrscht ein regelrechter Boom um den Verein und ihr werdet im nächsten Jahr wieder Europa bereisen. Wie hat sich die Situation abseits des Platzes entwickelt? Gab es in den Positionen im e.V. und AG Konstanz? Wie war das Verhältnis zwischen Funktionären und Kurve in den vergangenen Jahren?
SKS: Die Zeit mit Wolfgang Dietrich als Präsident ging im Juli 2019 zum Glück zu Ende. Gerade zum Ende seine Tätigkeit spitzte sich das Verhältnis zwischen Kurve und Vereinsführung immer weiter zu. Im Vorfeld wollte der VfB gegen verschiedene Protestformen Anzeige erstatten. Diese Anzeigen wurden nie verhandelt, da die Gerichte dafür keine Grundlagen sahen. Am Ende sah sich Dietrich einer breiten Mehrheit an Kritikern ausgesetzt und verkündetet nach einer denkwürdigen, abgebrochenen Mitgliederversammlung seinen Rücktritt.
Kurz darauf wurde Claus Vogt zum Präsidenten gewählt. Dieser schaffte es, zunächst einige Gräben zwischen der Kurve und der Vereinsführung zuzuschütten. Im Februar 2021 hatten innerhalb von fünf Tagen zwei Vorstände (Stefan Heim, Jochen Röttgermann), zwei Präsidiumsmitglieder (Bernd Gaiser, Rainer Mutschler), drei Vereinsbeiräte (Claudia Maintok, Wolf-Dietrich Erhard und James Bührer) sowie Aufsichtsrat Hermann Ohlicher ihre Posten abgegeben bzw. wurden abberufen. Alle Personen waren damals an der Ausgliederung des VfB beteiligt. Nach und nach konnte man dadurch wieder etwas Vertrauen zum VfB aufbauen. Wirkliche Ruhe kehrte allerdings nicht ein. Auch auf AG-Ebene kam es zwischen Claus Vogt und Thomas Hitzlsperger (Vorstandsvorsitzender der AG) zu einem Machtkampf,
an dessen Ende Hitzlsperger die AG verließ und von Alexander Wehrle beerbt wurde. Wir sind es gewohnt, dass sich die Namen in der Vereinsführung schneller drehen als die Achterbahnen auf dem Wasen. Dennoch hatte man das Gefühl, dass das VfB-Präsidium (Vogt, Adrion, Riethmüller) ein Interesse für die Belange der Kurve hat. Leider zeigte sich aber immer wieder, dass dieses Präsidium nicht konstruktiv zusammenarbeiten kann. Dadurch ist auch keine Grundlage vorhanden, um als geschlossener und starker e.V. in der AG aufzutreten und die Interessen des Vereins gegenüber den Interessen der Investoren zu vertreten. Dies gipfelte schlussendlich in der Situation, in der wir uns aktuell befinden. Ein Präsidium welches geschlossen die Interessen des Vereins und seinen Mitgliedern vertritt,
hätte diese Situation verhindert.
Es hat sich seit unserem Artikel über die Situation wieder Neues getan und erste Rücktritte folgten. Könnt ihr die Entwicklungen kurz zusammenfassen und diese einordnen?
S02: Die Cannstatter Kurve hat sehr schnell Geschlossenheit gezeigt und einen gemeinsamen Weg und Zielen gefunden, welche in einem Statement verfasst und von inzwischen fast 250 Gruppen und Fanclubs unterschrieben wurde. Daraufhin folgten zu jedem Spieltag unterschiedliche Aktionen, welche sich aktuell immer weiter zuspitzen. Einen ersten Teilerfolg konnte man schon verzeichnen, da Christian Riethmüller sein Handtuch geworfen hat und den Weg frei machte. Gleichzeitig verharren Claus Vogt und Rainer Adrion aktuell weiterhin auf ihren Posten und machen auch nach außen wenig Anschein diesen freiwillig aufzugeben. Nach unzähligen Statements von den Vereinsgremien und aus der AG, herrscht aktuell gefühlt wieder etwas mehr trügerische Stille am Neckar. Die eigentlich für den Herbst angekündigte Mitgliederversammlung wurde auf den 28.07.2024 vorgezogen und die Vorbereitungen hierauf laufen auch schon. Eigentlich alle Gruppen und auch viele Fanclubs machen inzwischen an jedem Spieltag über Spruchbänder und Material deutlich, dass der Rücktritt der verbleibenden zwei längst überfällig ist. Spätestens an der kommenden MV wird dann aber über die verbleibenden beiden Präsidiumsmitglieder entschieden werden.
Erwähnenswert ist aus unserer Sicht sicher noch die Plakataktion, für welche in der Nacht vor dem Frankfurt Heimspiel rund um das Stadion unterschiedliche Motive plakatiert wurden. Am kommenden Morgen durfte man dann feststellen, dass der Verein die Plakate im Umfeld der Haupttribüne wieder entfernt hat, wahrscheinlich um das Bild bei der Eröffnung der neuen Haupttribüne nicht zu trüben. Dies zeigt recht gut, dass ein ordentlicher Diskurs aktuell auf keinem sinnvollen Wege möglich ist.
Nun kam es zu dem Bruch eines 2017 gegebenen Versprechens. Kann ein personeller Neuanfang Vertrauen bei den Mitgliedern wiederherstellen und Gräben zuschütten?
SKS: Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. In den letzten Jahren haben wir viele Personen kommen und gehen sehen. Bei manchen handelnden Personen merkte man direkt zu Beginn, dass die Interessen der Mitglieder nur eine Nebenrolle spielen. Bei anderen wiederum wurden Schritte aufeinander zugemacht und es sah zeitweise danach aus, als könne hier eine gute Zusammenarbeit entstehen. Wie so häufig wurden jedoch Versprechen gemacht, die nicht eingehalten wurden oder die persönlichen Interessen wurden einmal mehr über die des Vereins gestellt. Ein personeller Neuanfang führt nicht automatisch dazu, dass alle Gräben wieder zugeschüttet werden. Aber es ist die einzige Chance, dass dies passieren könnte. Denn eines ist klar: Zur aktuellen Vereinsführung wird sich nie wieder ein Vertrauen aufbauen können.
Wie lässt sich Vereinspolitische Arbeit machen, wenn es sportlich sehr gut läuft? “Stören” sich Mitglieder des VfB an der kritischen Betrachtung, weil sie “Ruhe im Verein” haben wollen?
S02: Hier einen guten Konsens zu finden war wirklich nicht einfach. Gerade bei den nicht ganz so Szene nahen Fans, war recht schnell eine Angst vor Spielunterbrechungen oder negativem Einfluss auf die Mannschaft zu spüren. Die aktuell sportlich sehr erfolgreiche Saison und der zu dieser Zeit noch ungewisse Ausgang rund um die Internationalen Plätze war dem ein oder anderen dann doch wichtiger als die Querelen im Verein. Gleichzeitig konnten aber auch schweigende Minuten zu Spielbeginn gut durchgezogen werden und auch die Beteiligung außerhalb der Gruppen an entsprechenden Aktionen ist wirklich gut! Im Kontakt mit Mitgliedern auf anderen Tribünen merkt man dann aber schon, dass hier der sportliche Erfolg doch mehr im Fokus steht, auch wenn überraschenderweise das Ziel das gleiche ist. Die Einigkeit unter Mitgliedern das Vogt und Adrion zurücktreten müssen ist gefühlt aktuell überwältigend hoch!
Wir können die Sorgen der Fans da schon auch verstehen, wir wollen und müssen die Möglichkeit im Stadion aber nutzen, um auf unsere Punkte aufmerksam zu machen. Mit dem Fanausschuss haben wir in Stuttgart ein gutes Gremium, welches uns die Möglichkeit gibt, auch immer wieder Feedback aus verschiedenen Teilen der Fanszene zu erhalten. Bis heute finden wir hier einen ganz guten Weg und wollen diesen so auch weiter gehen.
Wie sehr belastet die Situation die Kurve? Trübt das die Stimmung?
SKS: Als VfB-Fan ist man es gewohnt, dass alle Jahre wieder eine Phase kommt, in der mit Stellungnahmen und Aussagen um sich geworfen wird. Das kennt man in Lautern ja leider auch. Normalerweise passt dieses Verhalten außerhalb des Platzes auch zum Verhalten auf dem Platz. Dieses Mal ist es anders: Wir dürfen die punktetechnisch beste Saison unserer Vereinsgeschichte erleben und wir alle fühlten uns befreit. Insbesondere nachdem, was wir die letzten Jahre durchgemacht haben. Aber die aktuelle Situation legt sich wie ein Schleier auf dieses Gefühl. Aktuell fragt man sich als VfB-Fan: „Warum ist es uns nicht vergönnt, diesen Erfolg einfach nur genießen zu können?“
Wie kann der VfB in Zukunft wieder die entstandenen Schäden im vereinspolitischen Bereich beheben und näher an die Mitglieder heranrücken?
S02: Ohne hier das ganz große Rad drehen zu wollen, wäre ein erster Schritt wieder den Zustand vor dem beschriebenen großen Knall wieder herzustellen. Darüber hinaus müssen die Strukturen in dem Verein verbessert werden. Darauf aufbauend braucht es einen Weg wie aus dem Versprechen eine Verpflichtung werden kann. Das muss im besten Fall klar in der AG Satzung geregelt werden.
Um wieder näher an die Mitglieder heranzurücken, braucht es vor allem Transparenz. Wenn man sich nochmal vor Augen führt, dass das gesamte Präsidium auf der letzten MV im Herbst 2023 lieber versucht den eigenen Arsch vor gestellten Abwahlanträgen zu retten indem stundenlang Monologe über den Sebastian Müller Leak geführt werden. Dann einem heute aber klar wird, dass die unterschriebene Absichtserklärung zu dem Zeitpunkt aber schon seit Monaten unterschrieben in der Schreibtischschublade liegen. Zeigt das einem deutlich, dass hier im Verein durch die Handelnden Personen richtig scheiße gebaut wurde hinter dem Rücken der Mitglieder welche diese Personen einmal gewählt und legitimiert haben.
Alles in allem braucht es mehr Einsatz im Sinne des Vereins und volle Transparenz. Die ganzen Egoshows müssen Enden und der Verein wieder im Mittelpunkt gerückt werden. Das bedeutet, dass weitere strukturelle und personelle Änderungen im Verein notwendig sein werden. Wir haben in Stuttgart noch einen langen Weg vor uns, sind aber als Fanszene fest gewillt um unsere Mitgliederrechte zu kämpfen und weiterhin gegen jeden Widerstand für diese einzustehen. Mag der Weg auch oft nicht der einfachste sein.
SKS: Ganz wichtig wird es sein, dass die zukünftigen Verantwortlichen des Vereins sich geschlossen dafür einsetzen, dass der e.V. in der AG wieder als das auftritt, was er ist: ein Mehrheitseigner. Dafür muss man geschlossen die Interessen des Vereins gegenüber den Investoren vertreten. Eigentlich besitzt der Verein im Aufsichtsrat der AG eine Mehrheit. Davon spüren wir Mitglieder nichts, da die Personen, die dort unsere Interessen vertreten sollten, von uns nicht legitimiert wurden. Einzige Ausnahme sind der Präsident und sein Stellvertreter. Die restlichen Plätze hat der Verein an Personen aus der Politik und Wirtschaft vergeben. Zum Beispiel hat der Verein selbst dafür gesorgt, dass eine Tanja Gönner in den Aufsichtsrat kommt. Die Mitglieder des Vereins würden sich wieder ernst genommen und relevant fühlen, wenn wir darüber abstimmen, wer unsere Interessen im Aufsichtsrat vertreten soll. Die wäre ein Beispiel dafür, wie der Verein in Zukunft wieder an seine Mitglieder heranrücken kann. Aktuell fühlt man sich allerdings wieder in die Zeit der Ausgliederung zurückversetzt - mit dem Unterschied, dass unsere damaligen Befürchtungen jetzt eingetreten sind.
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